Es ist einmal wieder so weit. Das Redaktionsteam der Abi-Zeitung bittet um Artikel und fragt auch uns Lehrer. Die Zeit ist ( Wird die Halbwertzeit des Zeitempfindens immer kürzer ? ) sehr schnell vergangen - zu schnell ? Das Lehrerdasein wird bestimmt durch diesen Wechsel, man entläßt einen Jahrgang, und der nächste zupft schon an den Rockschößen und verlangt Aufmerksamkeit. Was schreibt man denn nun als Lehrer über einen abgeschlossenen Leistungskurs, in dem man sich bemühte, allen herbeigeschafften Lektüren und kopierten und hoffentlich auch gelochten Texten gerecht zu werden ? Nun denn, dieses Mal schauen wir uns halt den Kurs etwas genauer an, denn Inhalte wiederholen sich gemäß Lehrplan zwangsläufig. Herr Muth sitzt seinen Schülern gegenüber. Zumeist ist er gut vorbereitet, denn (s. o.) Inhalte wiederholen sich. Doch jedes Mal wieder bestimmen die Kursteilnehmer die Gangart und -richtung neu. Der gute Shakespeare verändert sich nicht, die Blickrichtung allerdings wird in manchmal erstaunlicher Weise durch eine neue Schülergeneration gelenkt. Die jungen Herren zu seiner Linken, die Damen zur Rechten. Hat man sich noch immer nicht an die Koedukation gewöhnt ? Die Raumgröße ist recht klein bemessen, der Kursgröße [ 13 Personen ( 8 Damen und 5 Herren )] - durch welche Vorgaben des Schulträgers auch immer - angemessen. Nur leider besteht keine Möglichkeit, Medien wie den Overhead-Projektor gewinnbringend einzusetzen. Von den Organisationsproblemen mit der audiovisuellen Mitschauanlage ganz abgesehen. So sitzen nun die Herren vor einem : der Golf-fahrende fußballfanatische Aushilfs-Discjockey mit den wechselnden Haarfarben und -längen, stets bemüht, seine Beine ruhigzuhalten;
der ruhige, beschaulich und meist
konzentriert dem Unterricht folgende Blondschopf, der in jeder
Pause mit seiner Herzdame turtelt, seine Klausuren äußerst
knapp formuliert, dabei aber immer fachlich am Ball bleibt; der
Shakespeare-Gegner, den Aldous Huxley begeistert, der mit Zurückhaltung
dem Unterricht folgt, bis plötzlich - welch Eingebung - das
Abitur vor der Tür steht und seine Aktivität quasi explodiert
( Ist das Abonnement des Kicker nicht preislich günstiger
und schon rechtzeitig zum Frühstück auf dem Tisch, damit
man nicht im Unterricht lesen muß ?); der welterfahrene
coole Geschichtsfreak, mit der Neigung, militärische Titel
für sich zu beanspruchen und Sätze nie enden lassen
zu wollen[Dazu kommt noch die sicherlich beim ersten Mal auftretende
Irritation, wenn er das Kaugummi - von Herrn Muth im Unterricht
absolut verpönt - für die Englischstunde(n) hinter dem
rechten Ohr parkt.], möge er auch in Zukunft immer eine stabile
Wand finden, damit er nicht vom Stuhl fällt; letzteres gilt
auch für unseren Starmusiker mit Amerikaerfahrung, der einer
erstaunenswerten Hosenmode frönt und im Verbund mit seinen
Kollegen und dem Lehrer immer bereit ist, selbst chauvinistischste
Thesen zu vertreten.
Die Damenriege wird eröffnet
mit der theaterliebenden Sextanerbetreuerin mit dem Hang, gerade
die rechte Hand in Gips oder Verbänden zu tragen; dann folgt
die zurückhaltende, schwimmende Querflötistin als Nachbarin
unserer esoterischen, lebenslustigen Astrologin, die tapfer gegen
grammatische Fallstricke und Unbill mit Theaterverabredungen kämpft;
Claudia schließlich, die gar nicht so heißt, im ständigen
Austausch mit ihrer Nachbarin mit ihrem französischen fahrbaren
Untersatz; neben ihr unser Neuzugang aus Niedersachsen, die alle
Männer im Kurs immer milde belächelt, sich engagiert
auf jede Diskussion einlässt; die ruhige Reiterin, sich immer
zurück-nehmend, immer nach einer Möglichkeit suchend,
sich schriftlich hervorzutun; dann schließlich unsere amerikanisierte
streitbare Schülervertreterin, in vielen Theaterrollen erfahren,
die vehement die Männer in ihre Schranken weist und eine
Vorliebe für Süßigkeiten hat; last but not least
- ebenfalls in Deutschland rematriiert - unser ebenso streitbarer
wie impulsiver Rotschopf mit der Abneigung gegen Hefe und der
Fähigkeit, vorzüglichen Vollkornkuchen zu backen.
Mit diesem Querschnitt der Segeberger
Gesellschaft ging es zwei Jahre lang durch die englisch-sprachige
Literatur und Subkultur. Shakespeare, Kriminalroman und Utopie,
klassische und moderne Dramen, ein wenig Lyrik, diverse Essays
und Artikel - nichts war uns heilig, allem haben wir uns analytisch
gewidmet, häufig gestärkt durch süßes Gebäck,
das Verspätungen und unverschuldet Versäumtes kompensierte.
Vielen Dank für eine schöne Zeit mit euch.
Take care ! So long !
Euer Mh
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(Annika R., Annika S., Geneviève, Inge Jan-Patrick, Julia, Lars, Malte M., Matthias K., Merle, Patrick, Warde) Gott weiß alles, ich weiß mehr. Mit diesem Credo bemühte sich Muth, uns an die in der Tiefe verborgenen Schätze der englischen Literatur heranzuführen. Nach einem halben Jahr Shakespeare hatte Muth uns auf die ansehnliche Zahl von 13 Teilnehmern zusammengeschrumpft, was in einigen, infolge dieser Konstellation, schlimme Zukunftsaussichten auslöste. Ob Muth nun sein Ziel erreicht hat und wir Shakespeare als Genie preisen, oder ob wir, wenn wir die Möglichkeit hätten, diesen Schreiberling aus der Welt schafften, mag offen bleiben, doch ist es wichtig, festzustellen, daß Muth in seinem Anliegen tatkräftige Unterstützung von Lucien und Ami erhielt, welche durch ihr beinahe allumfassendes Wissen und ihren emsigen Fleiß aus der Masse unseres Kurses herausragten, sonst aber durch ihr angepaßtes und nettes Wesen eine Bereicherung für unsere doch so multikulturelle, liberale, kompromißbereite und saubere Schule waren. Doch auch ohne ihre Hilfe gelang es Muth ein hohes Niveau im Unterricht zu wahren, welches wohl nur teilweise durch sein manisches Verlangen nach Kuchen unterbrochen wurde, uns aber jede 3. Stunde einen vollen Magen bescherte. Durch seine spitzfindige und ausgeklügelt sarkastische Art, gelang es ihm immer, den Unterricht für mindestens 12 von uns wilden 13 unterhaltsam zu gestalten, und Unterrichtsgespräche verlagerten sich zunehmend in einen Disput zwischen die kleinere männliche Fraktion, mit Vertretern wie Grungehosen-Lars, und der größeren femininen Fraktion, die so stimmgewaltige Kämpfer wie Annika, derer drei, aufzuweisen hatten. Im Jahre 1 nach Shakespeare verlebten wir eine Zeit zwischen Kuchenattacken, mehrstündigen Diskussionen über alles, von antifeministisch bedingten Parolen bis hin zur Konsistenz und der Aufteilung von Kuchen, Theater, Sarkasmus und Haßtiraden über K.L.A.U.S. und seine Kumpanen.
Trotz des Rufes der Muth zum Teil zu eigen ist, sollte man diesen
Kurs wählen, es sei denn, man verbindet nicht die Fähigkeiten,
Kuchen zu backen, Shakespeare und Theater zu lieben, Sarkasmus
vom Allwissenden mit offenen Armen zu empfangen, diskussionsgewandt
zu sein und sich mit allerlei unkonventionellem Unterrichtsgeschehen
anzufreunden.
MM |